Empört und unzufrieden

Hier dokumentieren wir die erste Pressemitteilung des Aktionsbündnisses
zu den Ereignissen am 24.09.2011

Um mit etwas Positivem zu beginnen: Das Aktionsbündnis Neuruppin bleibt bunt ist beeindruckt von der überwältigenden Unterstützung, die wir von Personen, Institutionen, Organisationen erfahren – darunter an prominenter Stelle der Lokale Aktionsplan LAP des Landkreises Ostprignitz-Ruppin. Vielen herzlichen Dank!

Martin Osinski

hier also die Pressemitteilung:

500 demonstrieren gewaltfrei – Nazis laufen trotzdem
Veranstalter empört und unzufrieden

Zum zweiten Mal in diesem Jahr haben in Neuruppin rund 500 Menschen gewaltfrei und bunt gegen einen Aufmarsch von Nazis demonstriert. Der demokratische und antifaschistische Protest war gewaltfrei und bunt. Eine zwanzigköpfige Gruppe des „Lebenslaute“-Orchesters beteiligte sich und bereicherte die Demo kulturell. Dennoch wurde eine Sitzblockade von mehr als dreihundert Menschen in der Friedrich-Engels-Straße durch die Polizei rigoros geräumt.

„Den Einsatz der Polizei können wir nur als überzogen, unangemessen, chaotisch und in Teilen als rechtswidrig bezeichnen. Wir sind zutiefst empört“, so Bündnissprecher Martin Osinski. Durch das massive Polizeiaufgebot wurde die öffentliche Wirkung der eigentlichen Veranstaltungen des demokratischen Neuruppin in den Hintergrund gedrängt. Es drängt sich der Eindruck auf, dass das von vornherein so geplant war. Die Polizei hat sich nicht an den eigenen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gehalten.

Die Sitzblockade war für eine halbe Stunde als Spontandemonstration unter Leitung der Landtagsabgeordneten Dieter Groß (Die Linke) und Axel Vogel (Bündnis 90 / Die Grünen) genehmigt worden. Dennoch ließ die Polizei schon zu dieser Zeit – gegen geltendes Versammlungsrecht – niemanden herein oder hinaus. Rechtswidrig hielt die Polizei alle Teilnehmer der zeitweise genehmigten Demonstration fest. Entgegen anders lautender Zusicherungen gab es nach der zweiten und dritten Aufforderung, die Straße freizugeben, keine Möglichkeit mehr, sich aus dem Polizeikessel zu entfernen. Auch die, die jetzt der Aufforderung Folge leisten wollten, wurden in der Poststraße eingekesselt und der Personalienfeststellung zugeführt, selbst Kinder.

Das Kommunikationsteam des Aktionsbündnisses war noch wenige Tage vorher von der Polizei als sinnvolles Angebot gelobt worden. Eine kleine Gruppe diskussionserfahrener Menschen sollte in heiklen Situation vermitteln. Diese Chance wurde am Sonnabend vertan – mit Absicht?! „Das Team wurde vor Ort schlicht nicht akzeptiert. Wir wurden mit Ansprechpartnern abgespeist, die nichts zu entscheiden hatten“, berichtet Pfarrerin Christiane Schulz von ihren erfolglosen Bemühungen. „Die Unprofessionalität der Polizei erschreckte mich. Das häufigste Wort des Tages von den Beamten war ‚ich bin nicht zuständig’.“ Steffen Jakuttek (CDU) aus Rheinsberg, wie Christiane Schulz mit Warnweste und Aufschrift eindeutig gekennzeichnet, ging seiner Vermittleraufgabe im Polizeikessel nach. Er konnte erst raus, nachdem wie bei allen Demonstranten seine Personalien aufgenommen worden waren; ihm droht jetzt ein Verfahren wegen Nötigung. „Gemessen an den Absprachen im Kooperationsgespräch werten wir das als eklatanten Vertrauensbruch“, stellt Martin Osinski fest.

In der Neuruppiner Poststraße wurden hunderte Menschen über viele Stunden auf engstem Raum eingekesselt. Der juristische Beistand des Aktionsbündnisses wurde dort von der Polizei nicht vorgelassen. Die Polizei brauchte mehr als zwei Stunden, um dort einen Toilettenwagen bereitzustellen. Sie ging bei der Feststellung der Personalien betont langsam vor, so dass die letzten Demonstranten erst gegen 17:30 Uhr wieder gehen konnten. Dennoch blieb auch hier seitens der Demonstranten alles friedlich.

Trotz des überwältigenden Aufgebotes war die Polizei nicht in der Lage (oder nicht willens?) die Demonstration des Aktionsbündnisses in der Karl-Marx- / Ecke Robert-Koch-Straße wirksam zu schützen. Immer wieder fuhren Autos in den abgesperrten Bereich und gefährdeten die Demonstrationsteilnehmer. „Die Fahrer waren teilweise orientierungslos, manche extrem wütend, und fuhren entsprechend riskant. Ich habe das über Stunden mehrmals an die Einsatzleitung gemeldet, ohne dass sich etwas änderte,“ berichtet Martin Osinski.

Die Veranstalter sind mit der Zahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer nicht zufrieden. Trotz der breiten Unterstützung des Demonstrationsaufrufs durch Politik, Wirtschaft und Kirchen sind nicht mehr Menschen gekommen als beim letzten Mal. „Wir bedanken uns bei allen, die mit uns demonstriert haben. Aber wie wäre der Tag verlaufen, wenn wirklich die tausend Menschen gekommen wären, auf die wir gehofft haben?“ fragt Versammlungsleiter Wolfgang Freese. Trotz aller eindringlichen Appelle zeigt die Mehrheit der Neuruppinerinnen und Neuruppiner kein Interesse für das Problem Neofaschismus. „Anderenorts hat man längst erkannt, wie schlecht Naziaufmärsche für das Image einer Stadt, für die Wirtschaft, für den Tourismus sind. Neuruppin muss das wohl noch lernen.“

Martin Osinski
Sprecher des Aktionsbündnis Neuruppin bleibt bunt

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